Die Kohrener Schulen

Alte Schule, 20. Jahrhundert
Bildquelle/Copyright: Museen Kohren-Sahlis, Stadt Frohburg 

Ehemalige Schule und Kantorat, 2023
Bildquelle/Copyright: Kohrener Geschichtsverein e. V.

 

  • Kleine Schule, Pestalozzistr. 3 
  • Kantorat, Pestalozzistr. 4 
  • Neue Schule, Pestalozzistr. 6 (1908 bis 1962/63, dann genannt Alte Schule) 
  • Neue Schule, Schulstr. 1 (ab 1962/63) 

 

Mittelalter 

Seit Bestehen der Stadtkirche (1224) hatten Knaben Messgesänge, Motetten und Choräle zu singen,  während „Weibspersonen“ das Singen im Gottesdienst, wie allgemein üblich, bis zur Reformation untersagt war. Predigten und Gesänge wurden in lateinischer Sprache gehalten. Um das Dargebotene zu verstehen, erhielten die Chorschüler etwas Lateinunterricht. 

 

Neuzeit 

Dem reformatorischen Gedanken folgend, dass jeder die Bibel lesen können sollte, lehrte man  ab 1530 die Anfänge des Lesens und Schreibens. Nachdem 1565 ein erster Lehrer und Kantor bestellt worden war, wurden schrittweise die Mädchen in das schulische Leben einbezogen,  in Kohren bis etwa 1908 getrennt von den Jungen in unterschiedlichen Gebäuden und von zweierlei Lehrpersonen unterrichtet. Kantoren waren als „Knabenlehrer“,  Organisten als „Mädchenlehrer“ tätig. Wahrscheinlich gingen die Jungen anfangs in das später „kleine Schule“ genannte Gebäude, das 1595/96,  rechtsseitig des Eingangs zur heutigen Evangelischen Heimvolkshochschule, dem früheren Pfarrhof, errichtet worden war. 

 

1822 erbaute man für die Jungen neben dem Hospiz (Pestalozzistraße 2) das Kantorat (Pestalozzistraße 4), so dass nun wohl die Mädchen mit ihrem Lehrer, dem Organisten, in die „kleine Schule“ auf dem Pfarrhof einziehen konnten. Über dem Eingang zum Kantorat ist der Spruch zu lesen: 

   

 „Laß diese Schule o Höchster gedeihen, der Weisheit und Frömmigkeit Tempel sein! 

1822“

Zum Schulbezirk gehörten zunächst die Gemeinden Terpitz, Walditz und Sahlis. Das schulische Leben wurde durch kurfürstliche Schulordnungen geregelt. Das erste sogenannte Kantoreigesetz von 1633 bestimmte unter anderem, dass die Schüler im Sommerhalbjahr, also von Ostern bis Michaelis (Ende September), die Schule nicht besuchen mussten, da sie in der Landwirtschaft gebraucht wurden. Die Einschulung erfolgte zumeist mit 9 Jahren. Die Schuldauer betrug durchschnittlich 5 Jahre. Schulversäumnisse wegen Kühehüten, Ähren- und Kartoffellesen, Kinderwarten und Erntearbeiten waren nicht statthaft, vielmehr unverzüglich beim Königlichen Gericht anzuzeigen. Der Sonnabend war im 19. Jahrhundert schulfrei, und die Kohrener Schüler hatten in jedem Jahr dreimal eine Woche Jahrmarktsferien. 

 

Industriealisierungszeit 

Das sächsische Königshaus gab am 26. April 1873 ein Volksschulgesetz heraus, das dem wirtschaftlichen Aufschwung nach der Reichsgründung von 1871 Rechnung trug und das Schulwesen stark weiterentwickelte. Nun wurden die Schüler zum Besuch der Volksschule gesetzlich verpflichtet. Die Lehrer hatten 32 Wochenstunden zu unterrichten. Um 1773 besuchten 100 Kinder die Kohrener Volksschule, Anfang des 20. Jahrhunderts waren es dreimal so viele. Im Jahr 1877 wurde das Kantorat in der Pestalozzistraße ausgebaut. Aber der Anstieg der schulpflichtigen Kinder des Schulbezirks verlangte nach einem Schulneubau. Der wurde über einen Toilettenbau mit dem Kantorat verbunden. Am 15. September 1908 wurde die im Heimatstil errichtete Neue Schule eingeweiht, in der sich vier Lehr-, ein Lehrer- und ein Lehrmittelzimmer befanden. Der Turnunterricht wurde im benachbarten sogenannten Hospitalgarten (Pestalozzistr. 2) abgehalten. Die Wetterfahne auf dem Dach der neuen Schule weist mit der Jahreszahl noch heute auf das Eröffnungsjahr hin. 

 

20. Jahrhundert 

Die Kriege und gesellschaftlichen Umbrüche des 20. Jahrhunderts fanden auch im Kohrener Schulwesen ihren Niederschlag. Der Naturkundeunterricht mit den Fächern Biologie, Physik und Chemie wurde eingeführt. Man unterrichtete 280 bis 290 Schüler zumeist sechsklassig. Zur Zeit des Naziregimes kam es zu Suspendierungen von Lehrkräften. Aufgrund der Bombennächte in den Großstädten fanden ca. 60 Kinder aus Berlin, Leipzig, Chemnitz und Königsberg Aufnahme in der Kohrener Schule und in umliegenden Gemeinden. Der schulische Alltag  gestaltete sich noch schwieriger, als Ströme von Geflüchteten und Vertriebenen ins Kohrener Land kamen. Klassen mit 40 Schülern waren keine Seltenheit, so dass Nachmittagsunterricht und Ausweichorte unumgänglich wurden. 

 

In DDR-Zeiten wurde die Volksschule zur sogenannten Einheitsschule umgebildet, in der alle Klassenstufen bis zum 8. Schuljahr unterrichtet wurden. In ausgewählten Orten wurden ab 1953/54 die 9. und 10. Klassen eingeführt, sodass Schulabgänger aus der Kohrener Schule ihre Schulbildung in Frohburg, Geithain oder Borna fortsetzten konnten. Ältere verbliebene Lehrkräfte wurden von „Neulehrern“ darin unterstützt, sowohl den Schülern als auch den Eltern neue Erziehungs- und Bildungsinhalte nahe zu bringen. Mit Arbeitsgemeinschaften, Schulchor, Laienspiel- und Musikgruppe wirkte die Schule in den Ort hinein und erzielte Unterstützung für die modernen Lehrplanansprüche einer „Polytechnischen Oberschule (POS)“. Die POS war vorrangig durch den Unterricht in den Fächern Werken und Polytechnik gekennzeichnet, der in den Betrieben der Stadt (z.B. in der Kammfabrik, Kohrener Markt 35) und des Umlandes durchgeführt wurde. 

 

Der Neubau einer Schule wurde zu einem politischen Ziel, das vom Schulausschuss, von der Elternschaft und dem Elternbeirat gemeinsam gegen den Widerstand auf der Kreisebene durchgesetzt wurde. Am Bau der Schule halfen im Rahmen des Nationalen Aufbauwerkes fast alle Kohrener Bürger und der umliegenden Dörfer mit. Zum Schuljahresbeginn 1962/63 wurde die „neue Schule“ in der Schulstraße mit ihren lichtdurchfluteten Klassenzimmern und breiten Fluren, mit Schwimmbad im Keller und Schulhort unter dem Dach mit einer eindrucksvollen Einweihungsfeier eröffnet. Neben Festreden standen die mit begeistertem Beifall durch die Zuhörerschaft aufgenommenen Freiheitslieder von G. Verdi und G. Fr. Händel im Mittelpunkt. Dieser Schulneubau galt als ein Höhepunkt in der Stadtgeschichte und im damaligen Kreis Geithain. 

 

21. Jahrhundert 

Seit dem Inkrafttreten des Sächsischen Schulgesetzes am 1. August 1991 gab es zwei Schularten in der Stadt Kohren-Sahlis, die Grundschule in der Pestalozzistraße und die Mittelschule, genannt „neue Schule“, in der Schulstraße. In dieser wurde neben dem Haupt- und Realschulzweig vorrangig das „Hauswirtschaftliche Profil“ unterrichtet. 1997 brachten die Kohrener Bürger anlässlich des 120jährigen Schuljubiläums ihre starke Verbindung mit ihrer Schule zum Ausdruck, indem sie eine Ausstellung reichlich mit Fotos, Dokumenten, Zeugnissen und Memorabilien bestückten und sie in großer Zahl besuchten. Eventuell war aber diese Beteiligung auch schon das Anzeichen der Sorge um die Weiterexistenz als Mittelschule . Denn wenige Jahre später wurde sie aufgrund der geringen Schülerzahl – 90 Schüler im Schuljahr 2002/03 – geschlossen. Mit Beginn des Schuljahres 2003/4 zog die Grundschule in die „Neue Schule“ in der Schulstraße um und entwickelte sich dort zu einem sicheren Grundschulort  und kulturellen Mittelpunkt in Kohren und Umgebung. 

 

Nach dem Auszug der Grundschule aus der „Alten Schule“ wurde das Schulgebäude nur noch sporadisch von Sportgruppen und Vereinen genutzt. Im Jahr 2017 kamen Kantorat und „Alte Schule“ in Privatbesitz und stehen gegenwärtig wieder zum Verkauf. 


Stand Februar 2023

 

Aus der Geschichte von Kohren-Sahlis, hrsg. vom Südraum-Verlag Borna 2003, S. 50-54, Notizen von Siegrid Barthel, Kohren-Sahlis 2022