Das Rittergut Sahlis - Am Sahliser Gut
Blick auf den Rokokogarten Sahlis und das Herrenhaus vom Rittergut, Anfang 20. Jahrhundert,
Bildquelle/Copyright: Museen Kohren-Sahlis, Stadt Frohburg
Herrenhaus Rittergut Sahlis, 2023,
Bildquelle/Copyright: Kohrener Geschichtsverein e. V.
- heutige Fläche ca. 6 ha
- Rokokopark „Gartendenkmal höherer Ordnung“, ca. 3,5 ha
- Denkmalschutz als Sachgesamtheit und zahlreiche Einzeldenkmale
Das Rittergut Sahlis mit Schloss und Rokokopark ist ein wunderschöner, geheimnisvoller und weit über Kohren-Sahlis hinaus bekannter Ort, der auf eine über 1000jährige Geschichte zurückblicken kann. Zur Zeit treffen Besucher auf ein gut gesichertes Baustellengelände - und das wohl noch viele Jahre lang. Regelmäßig werden vom Eigentümer Termine für Besichtigungen angeboten.
Mittelalter
Das Sahliser Gut wurde ursprünglich als wehrhaftes Vorwerk der Kohrener Burg errichtet, um kleinere Angriffe abzuwehren und die Dorfbewohner zu schützen. Der geschichtliche Ursprung der Kohrener Burg als Sorben-Wenden-Sitz lässt sich bis zum 6. Jahrhundert. zurückverfolgen. Die erste urkundliche Nennung des Ortes „Chorun“ findet sich 974 in der Chronik des Bischofs Thietmar von Merseburg.
Früheste Erwähnungen des Gutes Sahlis als Herrensitz und Ritterlehen datieren aus dem 14.Jhd. Vom 15. bis Ende 17. Jahrhundert gehörte das Rittergut zum Verwaltungsbereich der Herren von Einsiedel auf Burg Gnandstein. Als historische Besitzer seit dem 15. Jahrhundert sind die Familien von Meckau, von Löser, von Einsiedel und Crusius zu nennen.
Neuzeit
Nachgewiesen ist der Bau des Herrenhauses im Renaissancestil ca. 1550, welches 1596 einem Brandanschlag zum Opfer fiel und durch die Familie Löser um 1600 wiedererrichtet wurde. Die Lösers erbauten den Löser-Turm und das barocke Lusthaus südwestlich des Gutsareals. Dieses befindet sich heute in gastronomischer Bewirtschaftung und kann samt dem umgebenden kleinen Park als Eventlocation gemietet werden. Von Sagen umwoben ist der künstlich geschaffene sogenannte Totenberg, auf den der Blick aus dem Lusthaus in Richtung Nordwesten fällt. Die Anlage ließ Hans II. von Löser (1654-1715) nach dem Tod seiner Ehefrau und seiner Kinder als Gedächtnismal erbauen. An Stelle der ehemals krönenden Statue auf dem Gipfel schaut heute eine uralte Linde weit ins Kohrener Land.
Das Rittergut Sahlis war über die Jahrhunderte nicht nur Herrensitz, sondern auch Wirtschaftszentrum und Gerichtsbezirk der Stadt Kohren sowie der Dörfer Jahnshain, Langenleuba, Linda, Meusdorf, Terpitz, Walditz, der Hälfte von Eckersberg sowie einzelner Güter im Altenburger Land. Die Untertanen hatten der Gerichtsherrschaft Frondienste, Spanndienste und Handdienste zu leisten, Gesinde zu stellen sowie verschiedene Natural- und Geldleistungen zu erbringen. Berechtigungen und Verpflichtungen der Gerichtsherren waren Hutungs- und Jagdrecht, die Erbgerichtsbarkeit und die Erhebung des Pfarrzehnts.
Durch das Gesetz über Ablösungen von 1832 wurden für die sächsischen Untertanen alle Verpflichtungen über die oben angeführten Dienste gelöst. Dafür mussten sie entsprechende Ablösungsbeiträge an die neu eingerichtete Landrentenbank entrichten.
Barockzeit
1754 erwarb der Chemnitzer Textilunternehmer George Leberecht Crusius (1716–1805) das Gut. Dieser ließ das Herrenhaus im Barockstil umbauen, die Wirtschaftsgebäude errichten und ab 1771 mit großem Aufwand und immensen Kosten den Schlossgarten im Stil des Rokoko anlegen. Herrenhaus, Park und Gutswirtschaft blieben für ca. 200 Jahre, bis zur Enteignung 1945, im Besitz der Familie Crusius.
Industrialisierungszeit
Im 19.Jhd. entstanden die großen Stallgebäude mit ihren Kreuzgratgewölben im nördlichen Hof, wurde das Herrenhaus im derzeit angesagten Tudorstil umgestaltet und die Orangerie, die spätere Kegelbahn, mit ihren beiden sie flankierenden Pavillons errichtet.
Das Rittergut Sahlis war nach Ankauf des Ritterguts Rüdigsdorf im Jahr 1810 mit diesem eng verbunden. Dr. Heinrich Wilhelm Leberecht Crusius (1790-1858), als reformfreudig bekannt, entwickelte sie zu landwirtschaftlichen Musterbetrieben. 1834 trat er als einer der ersten Rittergutsbesitzer in Sachsen die Gerichtsbarkeit beider Rittergüter freiwillig an den Staat ab. So entstand das Königliche Gericht Kohren.
H.W.L. Crusius machte sich auch einen Namen als Vorsitzender der Leipziger Ökonomischen Sozietät und Begründer der landwirtschaftlichen Versuchsstation Möckern sowie als Mitbegründer der Leipzig-Dresdner-Eisenbahn. Sein Enkel Dr. Heinrich Leberecht Crusius (1860-1899) trat besonders als Mitglied und Vorstand von landwirtschaftlichen Vereinen und Berufsgenossenschaften sowie als Friedensrichter hervor.
Mit der Nutzbarmachung der Dampfkraft rückte die maschinelle Bearbeitung auf den Gütern immer mehr in den Vordergrund. 1898 wurden erste Anschlüsse an das Netz der Energie vorgenommen. Eine Wasserleitung war schon seit 1759 vorhanden.
In der Gutswirtschaft spielten Tierzucht, Obstanbau, Fischerei und Jagd- und Forstwirtschaft eine bedeutende Rolle. An industriellen Nebenbetrieben gehörten zum Rittergut Brauerei, Brennerei, Molkerei, 3 Mühlen, Ziegelei, Steinbrüche, Sandgruben und eine Zuckersiederei.
20. Jahrhundert
Bis 1916 wurden die Güter für die unmündigen Erben Siegfried Leberecht (1897- 1978) und Charlotte von ihrer Mutter Anna, geborene von Breitenbuch (1871-1945) verwaltet, die in zweiter Ehe den Balladendichter Börries von Münchhausen (1874-1945) aus Windischleuba geheiratet hatte.
1916 übernahm Siegfried als letzter Besitzer der Familie Crusius die Güter in eigene Verwaltung. 1920 umfassten die beiden Güter Rüdigsdorf und Sahlis einschließlich der dazugehörigen Vorwerke Großes Vorwerk, Lindenvorwerk, Linda und Neuhof 695,5 ha.
In den letzten Jahren des 2. Weltkriegs wurden in diesen Orten ca. 2000 Geflüchtete, überwiegend aus Schlesien aufgenommen, eine große Anzahl von ihnen wurde auch im Rittergut untergebracht und versorgt.
Nach der entschädigungslosen Enteignung im Zuge der Bodenreform 1945/46 wurde Sahlis sächsisches Staatsgut, 1949 Volkseigenes Gut (VEG). Im Herrenhaus entstand ein Lehrlingswohnheim, für das 1956 ein Sanitärtrakt und 1975 eine Großküche mit Speiseraum angebaut wurden. Das „Volksgut“ war bis zum Ende der DDR-Zeit der größte Arbeitgeber in Kohren-Sahlis und Umgebung.
Um die Erhaltung des Rokokoparks machte sich bis in die späten 1980er Jahre ein Kulturbund-Parkaktiv unter Leitung der Leipziger Gartenarchitektin Henriette Kranstöver verdient.
Nach 1990 kam das Gut in den Besitz der Treuhand-Bundesanstalt und wurde im Jahr 2000 privatisiert.
Gegenwart
Mit wechselnden konzeptionslosen Besitzern, Verkäufen und Zwangsversteigerungen ging ein fortschreitender Verfall des Schlosses, der Wirtschaftsgebäude und die Verwilderung des Rokokoparks einher.
2020 erwirbt der Burgstädter Immobilienentwickler Andreas Scholz das Rittergut in ruinösem Zustand. Mit seiner Firma ChrEAnS unternimmt er seitdem erste und sichtbare Schritte für eine umfassende Wiederherstellung und Nutzung der Sahliser Anlagen einschließlich des Rokokoparks.
In die Nachkriegszeit um 1946 fällt eine dramatische Episode aus dem Roman „Frohburg“ (2016), mit der der Autor Guntram Vesper (1941-2020) dem Rittergut und der Kohrener Bimmelbahn auf den Seiten 716-727 ein literarisches Denkmal setzt.
Stand Februar 2023
Download PDF-Datei
Archiv der Museen Kohren-Sahlis, Nachlass Rauschenbach,
https://denkmalliste.denkmalpflege.sachsen.de/Gast/Denkmalliste_Sachsen.aspx
archiv.sachsen.de/archiv/bestand.jsp?oid=07.
Neue Sächsische Kirchengalerie, Die Ephorie Borna, S.603 - Verlag v. Arwed Strauch, Leipzig 1903
Akten Stadtarchiv – Ausarbeitung Gert Schreiber
Akten Stadtarchiv Frohburg KO-SA 1-21 1874 bis 1944
Akten Stadtarchiv Frohburg KO-SA ..? 1997