Die Bimmelbahn Frohburg-Kohren-Sahlis 1906-1967

 Ehemaliges Bahnhofsgebäude, Anfang 1990er Jahre,
Bildquelle/Copyright: Museen Kohren-Sahlis, Stadt Frohburg 

 Ehemaliges Bahnhofsgebäude, 2023,
Bildquelle/Copyright: Kohrener Geschichtsverein e. V. 

Von der ehemaligen „Bimmelbahn“ sind noch verschiedene Objekte zu sehen:


  • Der alte Bahnhof, neu restauriert, Am Bahnhof 1
  • Der Lokschuppen, neben der Feuerwehr
  • Der Bahndamm als Spazier- und Radweg nach Streitwald, Start am Montottone-Platz 

 

1.        Vorgeschichte und Bau

Kohren hat seit dem Beginn des Eisenbahnzeitalters um einen Anschluss ans Eisenbahnnetz gekämpft. Für die Belebung des Tourismus, für die Arbeitenden und für die Betriebe war eine Anbindung ans Eisenbahnnetz wichtig. Es gab dafür verschiedene Planungen, u.a. 1863, die Eisenbahnstrecke Chemnitz Leipzig über Penig und Kohren zu führen. 1869 entschied sich das Ministerium für die alternative Streckenführung über Burgstädt. Frohburg bekam eine Anbindung zur neuen Strecke – Kohren wurde nicht berücksichtigt.

Erst durch die Fürsprache von Dr. Heinrich Wilhelm Leberecht Crusius (1860–1899), dem damaligen Rittergutsbesitzer von Sahlis, Mitglied in der 1. Ständekammer in Dresden, wurde am 18. Mai 1898 der Bau einer normal-spurigen Eisenbahn von Kohren nach Frohburg in der 1. Ständekammer genehmigt, eventuell mit Weiterführung nach Narsdorf. Kohren feierte diesen Beschluss mit Flaggen, Salutschießen und einem prächtigen Feuerwerk.

1901 begannen die Vorarbeiten – neun Beamten mit Messgehilfen kamen dazu von Penig nach Frohburg. Nach vielen Einsprüchen, Klärung von Endschädigungszahlungen etc. konnte endlich am 11. April 1905 mit dem Bau in Frohburg und am 4. Mai in Kohren mit dem Spatenstich auf der Mühlwiese begonnen werden. Die Kosten wurden auf 928.000 Reichsmark geschätzt (reale Kosten lagen dann über 1 Million Reichsmark). Kohren beteiligte sich daran mit 19.400 Reichmarkt, Frohburg bezahlte keinen Beitrag. Die Strecke war 7,81 km lang, 14 Höhenmeter waren zu überwinden, 3,96 km waren gerade, 3,85 km waren Kurven. Allein sieben Brücken mussten gebaut werden. Durchschnittlich waren monatlich 263 Arbeiter beschäftigt, teilweise aber 325 Arbeiter, in anderen Quellen ist von „5.000 bis 6.000 Löhner“ (Rudi Rauschenbach, unveröffentlichte Zusammenstellung zum Bau der Kohrener Eisenbahn, Archiv Töpfermuseum Kohren-Sahlis) die Rede, die aus Deutschland, Tschechien, Polen und Italien kamen.

Auf der Strecke mussten drei bedeutende Sprengungen durchgeführt werden – vor allem bei den kleinen Klippen unterhalb der Burg. Bei den täglichen Sprengungen wurde viel Schaden angerichtet, denn es regnete Steinmassen auf die Dachgiebel der Umgebung. 

Am 26. April 1906 wurde die Strecke abgenommen – eine große Lok kam aus Leipzig, um die Brückenbelastung auszutesten. Die feierliche Eröffnung fand dann am 30. April 1906 statt. Damit wurde endgültig der bisherige Postkutschenverkehr eingestellt, der seit 1876 Frohburg und Kohren verband.  

 

2.        Die Eröffnung 

Am 30. April 1906 fand die Eröffnung statt. Unter der Leitung von Bürgermeister Delling aus Kohren wurde ein Festkomitee gegründet. Der erste Sonderzug holte die Ehrengäste aus Frohburg ab zum Fest in Kohren. Im Bornaer Tagblatt vom 2. Mai 1906 erschien folgender Bericht (in Ausschnitten – zitiert nach: 1906 – 1967, die Eisenbahnstrecke Frohburg-Kohren-Sahlis, herausgegeben vom Verein Sächsischer Eisenbahnfreunde e.v., 2006, Seite 14 / 15)

„Auf dem Bahnhof in Kohren hatte sich eine zahlreiche Menge eingefunden. Bürgermeister Delling hielt eine kurze Ansprache, in der er ausführte, man sei hocherfreut, dass Kohren Anschluss an das große sächsische Eisenbahnnetz erhalten hätte. Von den Höhen der Stadt ertönten Böllerschüsse. Nach einem kurzen Spaziergang durch die Stadt vereinigten sich die Festteilnehmer, etwa 110 an der Zahl, im Heinichschen Gasthofe zu einem Festessen. Das Mahl war von Herrn S. Walsch aus Frohburg in vortrefflicher Weise vorbereitet. Musikvorträge und einige Tafellieder trugen dazu bei, die Feststimmung noch zu erhöhen. Als das Essen sich zum Ende näherte, klang von der Straße her: „Muß i denn zum Städtele hinaus“. Zum letzten Mal fuhr die Post nach Frohburg ab.“ 

Zur Einweihung stellte die Königliche General-Direktion der Eisenbahn drei Sonderzüge am 30. April und 1. Mai kostenlos zur Verfügung. Neben den Wagen für die Gäste waren noch Loren angehängt, auf welchen eine Musikkapelle spielte und auf jeder Station wurde mit einem Tusch die große Zuschauermenge begrüßt. Mit einem späteren Zug erschien noch die große Reiterkapelle der Karabinieres aus Borna.   „Am Sonntag darauf wurden über 1.000 Personen gezählt, die sich mit dem Dampfross mit dem Teufelsspuk in die Gegend fahren ließen.“ (Rudi Rauschenbach, s.o.). Die Stadt schmückte sich für das Fest mit Flaggen und Girlanden. Das Festessen kostete drei Mark ohne Wein. Entgegen dem Bericht in der Bornaer Zeitung schreibt Rudi Rauschenbach, dass der Küchenchef Börressen vom Jägerhaus dafür verpflichtet wurde. So oder so – es hat gemundet. und die Ehrengäste fuhren gegen 16:15 Uhr mit dem Zug zurück nach Frohburg. 

 

3.    Der Eisenbahnbetrieb

Neben dem Personenverkehr für Berufstätige und Schüler kamen dadurch viele Touristen ins Kohrener Land. Vor allem der Gütertransport war eine wichtige Aufgabe der Eisenbahn. Tausende Waggons verkehrten jährlich auf der Strecke: Transport der Zuckerrüben und der Spiritusfässer der Brennerei des Ritterguts, viele Tonnen Kartoffeln und im Gegenzug u.a. Kohlentransport nach Kohren.  1907 wurden sogar Anschlussgleise zu den beiden Steinbrüchen gelegt, was den Gütertransport noch erhöht hat. 

Die erste Lok hieß „Bismarck“, die zweite „Borsig“. Nach drei Monaten Betrieb entgleiste bereits die erste Lok im Streitwald und es brauchte einige Zeit, bis der Zug wieder in die Gleise gehievt werden konnte. 

Die Linie hatte vier Haltestellen: Frohburg, Schützenhaus, Wolftitz/Jägerhaus, später Streitwald, Kohren, später Kohren-Sahlis. Die Bahn fuhr durchschnittlich 25 km/h und brauchte circa 28 Minuten. Die Fahrt kostete anfangs 35 Pfennige. Zwischen drei bis fünf Mal am Tag fuhr die Bahn nach Frohburg und zurück, zeitweise sogar sieben Mal !

1910 wurde in Kohren das imposante Bahnhofsgebäude gebaut.

Die Fahrgastzahlen nahmen immer mehr zu: 1907 wurden 108.795 Fahrtkarten verkauft, 1926 154.790 Stück und 1950 239.525 Stück.

1956 wurde das 50jährige Jubiläum groß gefeiert. In den 1950ger Jahren wurden durch Jugendeinsätze die Gleisanlagen erneuert. Danach geschah kaum mehr etwas, schließlich war der Gleisoberbau  so marode, dass die Bahn 1966 nur noch 10 km/h fahren konnte. 

 

4.    Besondere Ereignisse

Es gab immer wieder kleinere und größere Ereignisse, die teilweise ernster Natur waren oder zum Schmunzeln anregen. Oft hatte die Lok kein Wasser und man ging mit Krügen zum Bach und schöpfte Wasser, bis es wieder Dampf gab. 

Mitte der 1950ger Jahre rollte während der Fahrt ein Handwagen mit einem eben erst geschlachteten Schwein aus dem Packwagen und landete neben dem Bahngraben. Die Bahn setzte zurück und mit vereinten Kräften der Eisenbahner wurde das Schwein wieder aufgeladen Dazu wurde ein Lied gedichtet, das heute noch bekannt ist. (siehe am Schluss des Artikels)

An den Bahnübergängen kam es immer wieder zu Unfällen. 1906 wurde ein vierspänniges Langholzfuhrwerk von der Bahn erfasst. Pferde und Kutscher wurden in den Bahngraben geschleudert. 1938 wurde der Wagen vom Enderlein aus der Lochmühle von der Lok erfasst und 15 Meter mitgeschleift. Alle kamen mit dem Schrecken davon. Zwei Jahre später, 1940 wurde bei der Abtmühle ein Auto erfasst und 100 m mitgeschleift. Die drei Insassen waren schwer verletzt. 

Während des 2.Weltkrieges wurden auf dieser kleinen Strecke  Waggons mit Benzin und Öltanks abgestellt. Irgendwann haben dies die Amerikaner mitbekommen und immer wieder Waggons in Brand gesetzt. Im April 1945 wurden das Bahnhofsgebäude und Wohnhaus des Bahnhofvorstehers Lory beim Jägerhaus an der Station Streitwald in Brand gesetzt. Der Bahnvorsteher verlor sein ganzes Hab und Gut, im anliegenden Gebäude wurden zwei Kinder getötet.  

1950 stürzte Frau Gerlach aus Meusdorf aus dem Zug und kam mit Hautabschürfungen und mit dem Schrecken davon. Einmal spazierten zwei ältere Herrschaften auf den Schienen. Als sie mitten auf einer Brücke waren, zischte der Zug aus Kohren heran. Einzige Rettung – der Sprung in den Bach, den beide überlebten. Einen Unfall mit tödlichem Ausgang gab es am Bahnhof Kohren in den 1950ger Jahren. Eine Frau stürzte beim Einsteigen und geriet unter die Räder, weil gerade rangiert wurde. 

Zu gehäuften Entgleisungen kam es, nachdem der Oberbauzustand immer schlechter wurde.  Außerdem war die Bahn den Witterungen ausgesetzt und musste sich gegen Schnee und umgewehte Bäume durchsetzen. Die Eisenbahner hatten dafür immer eine Notfallausrüstung dabei. 

 

5.    Die Einstellung des Betriebs

Seit 1962 gab es Gerüchte über eine Stilllegung. Ein Grund war der schlechte Zustand des Oberbaus. Eigentlich war der Verkehrsträgerwechsel zum Einsatz von Bussen erst 1970 geplant. Aber die Eisenbahnverwaltung bestand auf frühere Einstellung.

Im Mai 1967 wurde die Stadt offiziell über die Einstellung zum 27. Mai informiert. Auf einer Einwohnerversammlung am 25. Mai erfuhren die Bewohner davon und waren empört.

Am 27. Mai wurden das letzte Mal Personen transportiert. Der Protest wurde in Aufschriften auf den Wägen ausgedrückt mit Sprüchen wie: „Ich möchte noch und darf nicht mehr“, „Wer ist mein Mörder?“ oder: „Wir fahren heut zum letzten Mal, drum gehen wir auch nicht zur Wahl.“ 

Der Güterverkehr wurde zum 31. Dezember 1967 eingestellt. Damit war die Zeit der Kohrener Bimmelbahn vorbei und wurde zur Heimatgeschichte. 

Das Ende wurde gründlich durchgeführt. Die Gleise wurden bis 1972 demontiert. Somit besteht keine Möglichkeit mehr, die traditionelle Bahnstrecke neu zu beleben. Der ehemalige Bahndamm ist zu einem beliebten Rad- und Wanderweg geworden. Das alte Bahnhofgebäude wurde nach längerem Leerstand   von einer Friseurmeisterin erworben und restauriert (einschließlich der alten Bahnhofsuhr) und ist heute Geschäfts- und Wohnhaus. Der denkmalgeschützte Lokschuppen dient einem Taxiunternehmen als Garage und wird somit ebenfalls erhalten und gepflegt.

 

Unter den zahlreichen amüsanten Begebenheiten im Roman „Frohburg“ (2016) widmet  der Autor Guntram Vesper (1941-2020) auf den Seiten 74-76 auch der Kohrener Bimmelbahn eine Anekdote ( Guntram Vesper , „Frohburg“, Schöffling,  2016).




Stand Februar 2023